Projekttag an der Wirtschaftsschule: Irrsinnig Menschlich e.V. – „Verrückt? Na und! Seelisch fit in der Schule“
Depressionen sind für uns heutzutage allgegenwärtig und dennoch ein Tabuthema. Jede(r) dritte Schüler*in entwickelt im Laufe der Schulzeit Depressionen. Diese Erkrankung entsteht häufig durch chronische Belastungen, wie Leistungsdruck, familiäre Probleme oder schwere Schicksalsschläge. Auch Stress in der Schule gepaart mit privaten Sorgen und Problemen sind Nährboden einer seelischen Erkrankung. Um unsere Klasse für dieses Thema zu sensibilisieren und mit dem Tabu zu brechen, machten wir am 03.02.2022 einen Workshop zum Thema „Seelische Gesundheit“.
Moderiert wurde dieser Workshop von zwei Expertinnen des Vereins „Irrsinnig Menschlich e.V.“, die selbst in dem Bereich sehr erfahren sind oder auch selbst mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen hatten. Begleitet wurden sie von drei weiteren Frauen, die zur Hospitation eingeladen wurden, damit dieses Projekt zukünftig in anderen Regionen Bayerns umgesetzt werden kann.
Zu Beginn des Workshops wurde mit einer Fragerunde gestartet, um zu ermitteln, wie sich die Schüler*innen zu bestimmten Themen positionierten, und zu erfahren, welche Motive hinter den jeweiligen Positionierungen stecken. Dazu wurde der Raum in eine Ja- und Nein-Hälfte geteilt. In der Mitte befand sich die Zuordnung „Unentschlossen“.
Neben einer Antwort auf die Fragen
- Bist du optimistisch?
- Möchtest du später einmal Kinder haben?
- Bist du verrückt?
wurden auszugsweise Schüler*innen gefragt, warum sie sich für ihre bestimmte Position entschieden haben. Nach der Fragerunde wurde allgemein über psychische Erkrankungen gesprochen und warum sie auftreten. Die Betonung lag darauf, dass jeder Mensch psychisch erkranken kann, sei es eine prominente Person des öffentlichen Lebens – die augenscheinlich alles hat – oder wir „einfachen Personen“.
Nach der Sensibilisierung ging es weiter mit Rollenspielen. Ziel war, sich in Rollen verschiedener Personen zu versetzen. In einem Rollenspiel im fiktiven Ort Essvielhagen wehrten sich die Anwohner*innen gegen den Aufbau einer Klinik (Villa Phönix) für junge Mädchen mit Bulemie. Warum …? Sie wollten keine jungen Mädchen, die sich in ihren Vorgärten erbrechen. Dass diese Annahme völlig unbegründet ist, sollte den meisten Menschen bewusst sein. In diesem Rollenspiel sollten sich sechs Schüler*innen in die Lage von einer Mutter mit zwei kleinen Kindern, die ihr Haus neben der Klinik habt, in einen Polizisten, in eine Betroffene sowie ehemalige Betroffene, in den Bürgermeister und in eine Psychologin hineinversetzen und in die jeweiligen Rollen schlüpfen. Danach wurden alle gefragt, was sie davon halten und wie sie sich in einer solchen Situation verhalten würden. Es wurde auch über die Erkrankung Bulimie aufgeklärt.
Wir sprachen darüber, wie wir reagieren würden, wenn wir oder andere Menschen in unserer Umgebung erkranken. Deshalb wurden uns verschiedene Ratschläge gegeben. Falls wir nicht weiterwissen, können wir unter 0800 6553000 anrufen, dort wird man rund um die Uhr beraten.
Beate (Name wurde geändert), die den Job seit 2007 macht, sprach über ihr schweres Schicksal, das in den verschiedensten psychischen Erkrankungen endete. Sie wuchs in schwierigen familiären Verhältnissen auf, lernte erst mit neun Jahren das Sprechen und lebte in verschiedenen Kinderheimen. Eine ihrer Anlaufstellen war ein Kinderheim, welches von Nonnen geleitet wurde. Dort musste sie um 5 Uhr morgens aufstehen, beten, danach in die Schule gehen, zwischendurch wieder beten. Auf diese Weise wiederholte sich der Kreislauf bis 17 Uhr und das sieben Tage die Woche. Daraufhin äußerte sie beim Jugendamt Selbstmordgedanken – und das bereits im Alter von 11 Jahren. „Wenn ihr mich hier nicht rausholt, dann bringe ich mich um.“, hatte sie als Mahnung geäußert. Es zeigte Wirkung und sie wurde in ein besseres Kinderheim gebracht, leider hörten an dieser Stelle die Probleme nicht auf. Sie wurde aufgrund eines Gendefekts, der ihren Stoffwechsel verlangsamte und zu einer verstärkten Fettablagerung führte, in der Schule gemobbt. In Konsequenz stellte sie das Essen fast komplett ein. Ihre Schilddrüse hörte zu arbeiten auf und sie wäre fast daran gestorben. Sie hörte nicht auf ärztlichen Rat und das führte zu komplettem Organversagen. Aber sie überlebte. Im weiteren Verlauf litt sie unter Suchterkrankungen, wie dem Waschzwang und der Alkoholsucht. Mit aufkommendem Kinderwunsch verschwanden diese Süchte. Sie wurde schwanger und bekam eine Schwangerschaftspsychose, ausgelöst durch eine Radiomeldung, in der es hieß, dass einer Mutter, das Kind aus dem Bauch geschnitten wurde. Deswegen bekam sie chronische Angst davor, dass ihr das Kind weggenommen werden könnte. Mit der Geburt des Kindes traten erneut Angstzustände auf. Diese führten zum ersten und einzigen Selbstmordversuch. Beate kam in eine Mutter-Kind-Therapie und ihr Gesundheitszustand verbesserte sich seitdem von Tag zu Tag. Ihr Sohn kam in eine Selbsthilfegruppe für Kinder mit psychisch erkrankten Eltern. Er bekam bis heute keine Depressionen.
Persönliche Meinung:
Es hat auf jeden Fall für alle Schüler*innen etwas gebracht, auch wenn es manche nicht zugeben würden. Psychische Erkrankungen werden uns wegen der Lebensumstände, in denen wir leben, ein ganzes Leben lang begleiten. Wir leben in einer Welt, in der es vorrangig um Leistung in allen Formen und Farben geht. Deshalb ist es wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Dieser Workshop war ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Ich hoffe, dass sich die Menschen zukünftig mehr Gedanken über ihre Gesundheit machen und sich in Notlagen Hilfe suchen, um ihre Probleme zu lösen.
(Der Inhalt wurde gekürzt und zusammengefasst.)
Ein Schüler der WS 10 und Klassenleitung Kathrin Förtsch